HEINER MÜLLER IM SPIEGEL DER NACHRUFE
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3.1 Inhalte der Nachrufe - Wo liegt das Hauptaugenmerk der Autoren?

Heiner Müllers Werk ist eine Sammlung von Fragmenten, aus der eine »Landschaft« erwuchs (Wuttke). So sind auch fast alle Nachrufe aufgebaut. Zitate und Zusammenfassungen seiner Werke, Anekdoten aus Heiner Müllers Leben, Entwicklungen seines künstlerischen Schaffens vermischen sich mit Analysen seiner Beziehungen zu beiden deutschen Staaten und den Ideologien, die sie prägten.

Fünf Inhaltsgruppen lassen sich unterscheiden.

Die Autoren der Nachrufe

Dabei befassen sich die Nachrufe der professionellen Journalisten überwiegend mit Müllers künstlerischen Inhalten; so Urs Jenny, Peter Iden, Gisela Sonnenburg, Lothar Schmidt-Mühlisch, Gerhard Stadelmeier. Günther Rühles Nachruf schließt sich dem an, ist aber zudem biographisch geprägt und somit chronologisch aufgebaut. Biographische Ansätze finden sich in den meisten Nachrufen. Die Wochenpost druckt neben einem Artikel, der sich mit Müllers Kunstauffassung beschäftigt, einen rein biographischen Nachruf. 36

Arno Widmanns Nachruf läßt sich nicht in diese Reihe einordnen. Widmann stellt die Basis von Müllers Leben und Werk dar (»Witz, Pathos, Zynismus«), ohne auf Details aus seinen Werken einzugehen. Der Dramatiker wird in vielerlei Hinsicht charakterisiert:seine Persönlichkeit, sein Stil, seine Themen.

C. Bernd Sucher gliedert in Anlehnung an ein Gespräch mit dem Schauspieler Martin Wuttke, das er führte 37 , seinen Nachruf in verschiedene Aspekte der Arbeit Müllers:Dem »Autor« Müller setzt er »den Regisseur« entgegen. Müllers Beziehung zum Staat sowie einige seiner Ehrungen beschreibt er bezeichnenderweise unter dem Zwischentitel »Der Zyniker«.

Die Künstler tendieren zu einer menschlichen Beschreibung ihres Freundes Heiner und beschreiben ihre Beziehung zu Heiner Müller; so der Schauspieler Martin Wuttke, die Autoren Wolf Biermann und Stephan Hermlin sowie der Intendant Jürgen Flimm und der Regisseur Thomas Langhoff.

Wolf Biermann setzt sich als politischer Autor (seine Ausbürgerung aus der DDR 1976 war ein Markstein im Umgang der DDR mit ihren Künstlern) auch politisch mit Heiner Müller auseinander. Er nimmt - unüblich für einen Nachruf - kritisch Stellung zu Müllers Beziehung zum Kommunismus und zu seinen Kontakten zum Ministerium für Staatssicherheit.

Auch die anderen Nachrufe sind politisch motiviert. Im Nachruf der Frankfurter Allgemeinen Zeitung deutet sich die Distanz zu Müllers Material, der DDR, an:»Um ihn herum lauter Irrtrümmer.« 38 Zerbrochen, falsch und dadurch zerstört war es. Offener steht Günther Rühle der sozialistischen Idee gegenüber:»[D]er still gewordene Ruf nach jener anderen, besseren und immer weiter entschwindenden Welt, auf die am Jahrhundertbeginn noch Millionen hofften. Ein Traum, was sonst...?« 39

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