HEINER MÜLLER IM SPIEGEL DER NACHRUFE
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1 Biographie

Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf (Sachsen) als Sohn eines sozialdemokratischen Verwaltungsangestellten. Wegen seiner kommunistischen Gesinnung wird der Vater von den Nationalsozialisten interniert; lange Zeit ist er arbeitslos. »Die Armut war Gast im Hause der Eltern. « 1 Müller fühlt sich als Sachse und Sohn eines »Kommunisten« fremd in Mecklenburg:»Man war Ausländer.« 2 Schon als Kind kommt Heiner Müller durch seinen Vater in Kontakt mit Literatur. »Ich habe den ganzen Schiller gelesen[]. Und von da an wollte ich schreiben.« 3 Ende 1944 wird Müller im »Volkssturm« zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Nach Kriegsende entkommt er der amerikanischen Gefangenschaft. Er kehrt in das von russischen Soldaten besetzte Mecklenburg zurück. Müller, zunächst mit der Entnazifizierung von Bibliotheken beschäftigt, wird Beamter im Landratsamt in Waren:Er berät Landwirte, die von der Bodenreform durch die Sowjets betroffen sind. Seine Erfahrungen werden Material für »Die Umsiedlerin« und weitere Stücke. Später recherchiert Müller immer wieder im Milieu der Arbeiter und Bauern für seine Arbeiten.

1947 kehrt er mit seiner Familie nach Sachsen zurück, wo er die Oberschule beendet. Er besucht einen Schriftstellerlehrgang und wird Mitglied des "Kulturbundes". Müller arbeitet in der Stadtbücherei in Frankenberg und wird in der SED Literaturobmann. Seine Eltern fliehen 1951 in den Westen, er geht nach Ostberlin. Dort schreibt er als Redakteur beim »Sonntag« Rezensionen. Müller lernt Brecht kennen, wird aber nicht am Berliner Ensemble aufgenommen.

Seit 1950 entstehen erste literarische Texte. Müller arbeitet beim Literaturverband, später als Redakteur der Monatszeitschrift »Junge Kunst« und kommt in Kontakt mit jungen DDR-Autoren. Sein erstes Drama, »Die Schlacht«, beginnt er 1951. »Der Lohndrücker« wird kurz nach seiner Entstehung veröffentlicht und führt zu Diskussionen, da das Stück den Anforderungen des sozialistischen Realismus der SED-Kulturabteilung nicht genügt. »Die Korrektur« wird zunächst verboten. Doch 1959 verleiht die Akademie der Künste ihm und seiner Frau den Heinrich-Mann-Preis für die beiden Stücke.

Müllers Frau schreibt Kinderbücher und recherchiert für seine Stücke. Die beiden reisen nach Bulgarien - die erste Auslandsreise.

Müller, der zunächst Auftragsarbeiten verfaßt, wird Dramaturg am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Er schreibt das Drama »Die Umsiedlerin«, das von Studenten als Auftakt zu einer internationalen Theaterwoche aufgeführt wird. Die Aufführung des kritischen Stücks wird als »konterrevolutionärer« Angriff auf den Staat verstanden. Müller wird gezwungen, eine erniedrigende Selbstkritik 4 zu verfassen. Trotzdem folgt 1961 sein Ausschluß aus dem Schriftstellerverband. Im gleichen Jahr stellt er »Philoktet« fertig. Sein Stück »Der Bau« (1964) wird verboten. Unter dem Pseudonym »Max Messer« schreibt er Honorararbeiten.

Seine Frau Inge wird in den folgenden Jahren zunehmend depressiv. Nach mehreren gescheiterten Suizidversuchen begeht sie 1966 Selbstmord. Im gleichen Jahr entsteht »Ödipus Tyrann«. Müller heiratet die Bulgarin Ginka Tscholakowa. Er reist mehrmals nach Bulgarien und verfaßt dort »Der Horatier«.

1970 schreibt Müller »Mauser« - das Stück bleibt bis zum Ende der DDR verboten.

1971 bearbeitet er das 1956 angefangene Drama »Germania Tod in Berlin«.

1972 übersetzt und inszeniert er Shakespeares »Macbeth«.

Zu Anfang der siebziger Jahre wird Müller von der neuen Intendantin des Berliner Ensembles, Ruth Berghaus, als dramaturgischer Mitarbeiter engagiert. Sie inszeniert 1973 seine Theaterbearbeitung »Zement«. 1974 schreibt Müller »Die Schlacht« sowie »Traktor«. 1975 reist Müller für neun Monate in die USA:»Meine Grunderfahrung in den USA war die Landschaft, zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich ein Gefühl für Landschaft, für den Raum.« 5 Er lehrt an der Universität in Austin, Texas. 1976 wechselt Müller zur Berliner Volksbühne. 1976/77 entsteht in Bulgarien »Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei« sowie »Die Hamletmaschine«. 1978:Zweite USA-Reise. »Fatzer-Material« entsteht aus einer Brecht-Vorlage. 1979 verarbeitet er Anna Seghers »Das Licht auf dem Galgen« in »Der Auftrag« nach einem Aufenthalt in Mexiko und Puerto Rico. Müller erhält den Münchner Preis für Drama für »Germania Tod in Berlin«. »Quartett« entsteht 1981.

Weitere Werke und Daten:

1982:»Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten«, »Quartett«

1984:»Bildbeschreibung. Szenarium«, »Wolokolamsker Chaussee 1«

1985:»Anatomie Titus Fall of Rome«, Georg-Büchner-Preis

1986:DDR-Nationalpreis 1. Klasse

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wendet sich Müller der Arbeit als Regisseur und Intendant zu.

1990:Inszenierung »Hamlet / Hamletmaschine« am Deutschen Theater Berlin.

1991:Inszenierung »Tristan und Isolde« in Bayreuth

1992:Die Autobiographie »Krieg ohne Schlacht« erscheint. In Interviewform diktiert, führt sie zu Kontroversen. Müller wird künstlerischer Direktor am Berliner Ensemble. 1993 wird Müller vorgeworfen, mit der DDR-Staatssicherheit zusammengearbeitet zu haben. Es kommt zu Diskussionen unter den Kulturjournalisten. Müller veröffentlicht das Gedicht »Mommsens Block«. 1995 arbeitet Müller in Kalifornien an »Germania 3. Gespenster am toten Mann«. Er plant, das Stück bis März 1996 zu inszenieren. Doch am 30.12.1995 stirbt Heiner Müller in Berlin an Krebs.

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